Mondo Bongo Africa

Ich bin beim Koffer packen. Ich komme HEIM ( … ) Ich habe weitere Reisepläne nach meiner 2. Malaria auf Eis gelegt und werde ab 2. Juni vorerst einmal in Wien sein. Ich freue mich. Irgendwo. Endlich wieder ein großes Wiener Schnitzel mit Pommes bei einem schnöseligen Ober bestellen und ein gutes kaltes Bier dazu. Joghurt, Käse, einen grünen Apfel. S C H O K O L A D E !  Ein sauberes Bett ohne Ungeziefer und Fenster, die ich bei Regen einfach zu machen kann ohne dass sich mein Zimmer in ein Feuchtbiotop verwandelt hat. Eine Dusche mit fließendem heißem Wasser ( wenn ich will )  und eine Toilette, die ich nicht mit Kakerlaken teilen muss.  Meine dreckigen Turnschuhe kann ich beruhigt in der Ecke stehen lassen ohne die Befürchtung haben zu müssen darin einen weißen Skorpion am nächsten Tag vorzufinden. Es wird keinen Nachtwächter mehr geben, der mir mit Pfeil und Bogen nach 21h entgegenkommt, versucht mir arabisch beizubringen und mir meine viel zu starken Zigaretten schnorrt. Einen großen Wandspiegel in Körpergröße, Lichtschalter mit Plastikverkleidung, die die ganze Nacht funktionieren und keine kleinen Grillen mehr, die Löcher in meine schmutzigen Klamotten fressen nachdem sie mich die ganze Nacht wachgehalten haben. (Vielleicht sollte ich auch öfter meine Wäsche waschen. Wobei: Geschirr spül ich ja auch nicht mehr ab, nachdem es schon zu Bruch gegangen ist…)  Beleuchtete Straßen mit öffentlichen Verkehrsmitteln, wo ich weiß wohin sie fahren, ihre Geschwindigkeit vorgeschrieben ist und der Busfahrer sehr wahrscheinlich seinen Namen schreiben kann. Ja doch, ich freue mich. Irgendwo. Zurück zu U-Bahngebimmel und zu schlecht gelaunten Damen hinter der Käsetheke, die schon lange nicht mehr einfach so mal gelächelt hat. Zurück zu „Servus“ und „Baba“, Käsekrainer und Fiaker. Vielleicht mal wieder ins Kino oder doch zu einer Vernissage mit Häppchen und komischer Kunst? Eigentlich gibt es schlimmeres. Irgendwie. Und dennoch ist der Gedanke Menschen zu treffen, die in geregelten Tagesabläufen ihre Arbeit tun, sich in Kaffeehäuser treffen, wo es Speisekarten mit festen Preisen gibt  und  auch ein richtiger Kaffee kein Problem darstellt, sehr befremdlich für mich. Fast schon beängstigend. Es ist eigenartig wieder einzusteigen in eine organisierte, gesittete und sichere Welt, die von Konsumgütern nur so überflutet wird, das es eigentlich schon weh tut und Fragen wie: Was machen wir heute? Es ist Samstag! wieder zum Thema werden. Der Billa ums Eck, die Straßenbahn vor der Haustür und zum nächsten Park ist es nur ein Katzensprung… nennt sich das Lebensqualität?

Es gab immer wieder Momente wo ich mir genau all diese kleinen Kleinigkeiten gewünscht habe. Nur für einen kurzen Augenblick, nur für einen Bruchteil einer Sekunde. Afrika aus, Wien an! Ich wollte für einen spürbaren Moment sicher gehen, dass die Welt doch noch irgendwo in Ordnung ist und nur ich feststecke in einem verrückten Tagtraum, in einem  abgefahrenen Science-Fiction-Film aus dem Jahre 1954 mit einer Hintergrundkulisse aus Pappe und Styropor, wo eine Blue Box oder Spezialeffekte noch nicht erfunden waren. Was ist das nur für eine Welt wo ich mich befinde? Reparaturen an Motoren werden mit Superkleber und Zigarettenfilter vorgenommen (sehr beruhigend, wenn ich weiß,  dass ich mit diesem LKW noch mindestens 3 Stunden durch den Busch fahren muss), Ziegen werden verkehrt herum auf dem Boda-Boda transportiert und Männer kommen ins Gefängnis, wenn sie ungeschützten (!) Geschlechtsverkehr mit unverheirateten Fräuleins haben und diese nicht sofort Ehelichen. 5 reife Mangos kosten umgerechnet keine 10 Cent, Malaria ist Alltag und Frauen in Hosen lösen fast schon Skandale aus. Ich habe mir die letzten Monate keine Gedanken darüber gemacht was ich anhabe oder versucht Antworten zu finden auf Fragen wie: …passen meine Schuhe zur Hosedazu? Die örtliche Polizei verschafft sich ihre Informationen über mich und was ich hier mache ganz nebenbei und erst gestern hab ich schon wieder eine ernsthafte Heiratsanfrage bekommen.  Seit Tagen belästigt der ansuchende Heiratswillige Freunde von mir,  bis ich dann doch endlich „zufällig“ in einem von seinen Shops sitze. Ich bekomme dann Ratschläge wie: Enttäusche ihn nicht, er  hat schließlich 4 Shops und 5 Autos. Außerdem verkauft er Motorräder…! Ein Leben in einem schicken Tukul wär mir somit schon gesichert. Aber stell ich mir so mein Leben vor?

Ich freue mich auf Gespräche mit Menschen, die mich verstehen und einfach nur meine Sprache sprechen, ein gutes Essen dazu mit richtigem Besteck bei  angenehmer Musik, die nicht von einem dieselbetriebenen viel zu lauten Generator neben mir in Takt gehalten wird. Ich freue mich auf nächtliche Aktivitäten ohne Moskitos oder zu großen schwarzen Käfern, die mir unter den Rock fliegen und sich festbeißen. Ich freue mich auf Marktbesuche, die  einfach nur Marktbesuch  bleiben ohne schwindlige Anfragen über offene Rechnung, für die ich doch bitte aufkommen soll.  Ja, auf all das freue ich mich! Total ! Ich bin mir immer noch nicht sicher wo ich mich in 10 Jahren sehe, über die 1000fach gestellte Frage: Willst du denn keine Kinder haben, du bist ja schließlich schon 30 Jahre alt, also alt (!), habe ich auch noch keine wirkliche Antwort gefunden und der Wunsch von Eigentum steht auf meiner Prioritätenliste auch nicht  ganz oben,  aber eines weiß ich: Wieder zurück in einen 40 Stunden Job mit Routine, vielleicht wieder in eine schöne nette Wohnung  irgendwo in Wien mit zu viel Zeugs, dass keiner braucht und einem schwulen Nachbarn dazu in Calvin Klein Unterhosen… Das kann ja alles total toll sein und  für Viele ist das das Leben schlecht hin: aber nicht für mich! Nicht jetzt. Zu sehr habe ich die Menschen lieb gewonnen, die sich um mich kümmern und zu viel spuckt in meinem Kopf herum um all das zu nehmen und es in Wien „zu beerdigen“.  Das Leben hier greift sich um so vieles mehr, einfach echt an. Ich liebe das Lachen der Menschen, die natürliche Art der Kinder und das was mich am meisten bewegt: Hier hab ich das Gefühl, ich kann etwas tun was Sinn macht. Ich weiß nicht wann mich das letzte Mal die leuchtenden Augen eines Kindes so berührt haben, wie diese von (m)einem Schüler, der für 25 € im Monat wieder zur Schule gehen kann.

Deswegen wird sich mein Aufenthalt in Österreich und Deutschland auf Mitte August beschränken.  Ich habe in den letzten Monaten gerade mal eine Idee davon bekommen, was es heißt in einem Entwicklungsland am Limit zu leben und ich kratze mit all meinen Geschichten bisher nur an einer doch manchmal „explosiven“ Oberfläche. Oft fühle ich mich wie Ochs vorm Berg, ausgesetzt in einer vergessenen Welt und NIE werde hier ganz dazu gehören, aber ich brauche ein bisschen mehr Abenteuer im Leben als mir Österreich oder auch Deutschland im Moment bieten können. Ich habe gelernt zu improvisieren, das Beste aus Situationen zu machen und nicht den Mut zu verlieren auch wenn alles ausweglos erscheint. Life will continue, warum nicht auch in Afrika?

Ich habe viel nachgedacht über neue Pläne, neue Ziele, über das was ich machen kann außer fotografieren und schreiben. Ich hab die letzten Monate viel gesehen, viel erlebt und dieses Fleckchen Erde hier in Kajo Keji / Lomin ist eine 2. Heimat für mich geworden UND da war plötzlich eine Idee, die für ich passen könnte:  ich hab mich für ein vorläufiges Leben in Afrika entschieden und ob das alles auch so funktioniert wie ich mir das vorstelle ist eine g a n z andere Sache, aber wenn ich es nicht probiere, werde ich es nie wissen. Mein neues Projekt heißt:

 

Mondo Bongo Africa

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