Wetter und Wesen

Es sieht nach Regen aus am Horizont. Vielleicht wird es regnen, geht mir durch den Kopf. Meine Mutter würde jetzt sagen: „… die Natur würde den Regen so dringend brauchen!“ Ein starker Wind kommt auf und beginnt roten Sand, viel Staub und alle mögliche Vegetation herum zu wirbeln. Schwarze dicke Wolken bilden sich am Ende des Himmels und signalisieren ein heftiges Unwetter. Vielleicht. Die Sonne ist schon fast untergegangen und Kinder spielen immer noch Fußball auf dem Rasen. Sie sind von der ganzen Situation völlig unbeeindruckt. Ich mag diese Weltuntergangsstimmung. Die Natur scheint auf einmal ein anderes Gesicht zu zeigen und wirkt wie eine Bedrohung für die Menschen. Bäume und Büsche wiegen sich im Wind. Blätter fallen von den Ästen. Die Stimmung ist irgendwie eigenartig. Man weiß nicht so genau was im nächsten Moment passieren wird. Passiert überhaupt irgendetwas? Das Wetter erinnert mich etwas an die Mentalität der Menschen hier. Sie sind voller Überraschungen und ich weiß nie wie der Tag verlaufen wird. Wen werde ich treffen und was wird passieren? Die Sonne zeigt ihre letzten Sonnenstrahlen, bevor sie hinter den Hügeln verschwindet und leichter Nieselregen kommt von oben herunter. Ein schmaler Regenbogen wird sichtbar und beginnt zu leuchten in seinen typischen bunten Farben. Es windet noch immer. War es das jetzt mit dem Unwetter?

Jeden Tag kreuzen unterschiedliche Menschen meinen Weg. Da sind die Menschen, die am Marktplatz sitzen und ihre Waren anpreisen. Es herrscht Trockenzeit und das einzige was es im Überfluss gibt sind Zwiebel, Kassawa, Süsskartoffeln, Erdnüsse, Tomaten, geräucherten Fisch und unterschiedliche Hülsenfrüchte. Kaum jemand verkauft irgendetwas anderes. Ich werde nach Geld gefragt oder nach was zu essen. Bananen soll ich kaufen, die bei einem einzigen kleinen Stand zu haben sind. Soll ich der alten Frau auf ihrem alten verwaschenen Tuch am Boden wirklich die Bananen kaufen? Kosten die Bananen umgerechnet doch nicht mal 50 Cent. Ich weiß nicht recht was ich tun soll. Wird es gewittern, wenn ich mich für NEIN entscheide…?

Zu Gast zu sein ist stets eine Ehre und immer bekomme ich was zu essen. Die Hofherrin steht schon seit Stunden in der Küche und bereitet das Festmahl vor. In großen Blechschüsseln wird gerührt, Süßkartoffeln und Bohnen köcheln auf offenem Feuer vor sich hin und gegessen wird traditionell mit den Fingern. Ab und zu gibt es auch Fleisch. Ich mag ja den viel zu stark gewürzten geräucherten Fisch, auch das viel zu lang gekochte Huhn, das mehr was von einem Gummiadler hat lasse ich mir nicht entgehen, nur was soll ich tun, wenn es Ziege gibt? Der Ziegenkopf ohne Ohren liegt noch im Kochtopf und Rauch steigt auf zwischen dem halbgeöffneten Maul. Das Gedärm hat sich fast liebevoll im ganzen Behälter verteilt und ich kann einzelne Gliedmaßen erkennen. Schon habe ich den ersten Teller in der Hand. Wird morgen nun schlechtes Wetter, wenn ich den Teller nicht auf esse…?

Ich treffe James im Computerraum auf der Missionsstation. Er erzählt mir, dass er Student ist in Kampala und dass ihm noch 2 Semester fehlen um mit seinem Studium fertig zu werden. Er ist sehr engagiert und er überrascht mich mit seinem wenigen deutsch was er spricht. Das hätte ich jetzt nicht erwartet. Wir unterhalten uns und aus dem zufälligen Treffen am PC werden regelmäßige Verabredungen um zu quatschen. Nach 14 Tagen und intensiven Gesprächen mit James fälle ich eine Entscheidung. Ich möchte James helfen. Er sitzt seit Tagen neben mir am PC und versucht krampfhaft einen Job zu finden um sich sein Studium zu finanzieren. Aber das Jobangebot lässt hier leider etwas zu wünschen übrig… Ich erinnere mich an meine finanzielle Unterstützung von einem Freund und sage: „James, ich finanziere Dir das erste Semester. Das 2. Semester geht leider nicht. Es sei denn wir machen gemeinsam ein Projekt, dass ich in Europa präsentieren kann um Unterstützung für Dich zu bekommen. Aber versprechen kann ich Dir nichts!“ Gesagt. Getan. Eine Woche später bekomme ich von James aus Kampala eine Email, dass seine Kurse so nicht stattfinden wie geplant. Er muss zurück kommen und kann sich erst im September fürs Studium anmelden. Mir geht durch den Kopf: Komme ich jetzt vom Regen in die Traufe…?

Jeder Tag ist ein neuer Anfang für mich. Manchmal sieht es am Morgen nach Regen aus und siehe da, eine Stunde später brennt schon wieder die Sonne runter. Ich freue mich, habe ich doch heute an meine Sonnencreme gedacht. Ich liebe das Leben hier. Es scheint oft so völlig unkompliziert und ich vergesse wo ich bin. Doch plötzlich kommt wieder ein Wetter auf, mit dem ich nicht gerechnet habe. Vielleicht sollte ich öfter den Wetterbericht lesen…

© Corinna

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